Deus ex Machina Festival @ Club From Hell Erfurt

Marcel

 

Deus Ex Machina Festival, 25.11.2017, Club From Hell, Erfurt

 

In dem seit zehn Jahren in der schwarzen Szene etablierten „Club From Hell“ in Erfurt feierten rund 100 Besucher in familiärer Atmosphäre mit den Bands Neuroticfish, Unterschicht, SynthAttack, System Noire, Second Version und Alphamay zu Cyber- bzw. Harsh-Electro und Electropop.

Alphamay Die vielseitige Bandauswahl versprach einen abwechslungsreichen Abend mit düster-elektronischen Klängen. Während System Noire, SynthAttack und Unterschicht eher die Cyber- und Industrial-Fans anlockten, versprachen Second Version und Neuroticfish klassischen Electro- bzw. Futurepop, und zusammen mit Alphamay reichte es bis zu Darkwave. Alles in allem also eine gute Mischung und so war für jeden etwas dabei. Dank der familiären Atmosphäre waren die Wege kurz und die Mitglieder aller beteiligten Bands, die man immer irgendwo antraf, stets aufgeschlossen zu Gesprächen und Fotos mit den Fans bereit.

Pünktlich um 18 Uhr begann es mit Alphamay. Die Electronic-Avantgardisten aus Osnabrück hatten einen schweren Stand, denn es hatten sich zu dieser frühen Stunde noch nicht allzu viele Besucher eingefunden – und leider blieben die schon Anwesenden zunächst lieber konsequent im hinteren Bereich des Raumes. Dennoch legten Cris Frickenschmidt (Keys) und Henning Hammoor (Gesang) einen soliden, musikalisch vielseitigen Auftritt hin und spielten etwa eine halbe Stunde lang Songs wie „The Pilgrims Weep“ oder „Flat Earth Flat Head“, letzterer von Keyboarder Cris gesungen. In der kurzen Zeit brachten sie sogar einige Coverversionen unter, so z.B. „Don’t go“ (Yazoo, 1982) und „On The Other Side“ (Silke Bischoff, 1991, in Gedenken an deren erst im August verstorbenen Frontmann Felix Flaucher). Zum Abschluss gab es noch den wunderschön melancholischen Song „Decay Of A Dream“ mit dem eingängigen Refrain „Forever Incomplete“.

Nach kurzem Umbau betraten Second Version die Bühne. Die drei Jungs von nebenan bzw. aus Magdeburg präsentierten verschiedene Songs in deutscher und englischer Sprache. Ihre Geschichte geht schon bis 2003 zurück, sie hätten also mit Sicherheit ein reichhaltiges Repertoire an eigenen Songs zur Auswahl gehabt; stattdessen gab es aber auch hier einige Coverversionen zu hören. Allerdings waren ihnen durch „Einheitsschritt“ (Isecs/Kontrast), „Nova“ (VNV Nation) und „I Just Can’t Get Enough“ (Depeche Mode) die Sympathien des immer noch müde wirkenden Publikums sicher und dieses konnte damit zumindest teilweise aus der Reserve gelockt werden – deshalb war die Idee bei genauer Betrachtung wahrscheinlich doch nicht so schlecht. Natürlich spielten Andy Langbrandtner (Gesang) und die beiden Keyboarder Mario Langbrandtner und Christian Käsche in ihrer Dreiviertelstunde auf der Bühne auch viele ihrer eigenen, treibende Electropop-Songs wie „Hellfire“, „Bis ans Ende“, „Black Gold“ oder „Bisswunden“, sowie „P18“, ein Stück mit einem recht eigenwilligen Text.

System Noire | Björn Als nächstes waren System Noire an der Reihe. Sänger Björn Miethe machte dem Publikum sofort nach dem ersten Song klar, wie es hier läuft und beorderte es entschieden nach vorne vor die Bühne, wo bis dahin noch fast alles gähnend leer war. Sieh an, es klappt ja doch! Plötzlich war der Bereich vor der Bühne gut gefüllt, die Dark Electro-Band aus Hannover zog die Besucher schnell in ihren Bann und viele Cyber-Fans – aber nicht nur diese – tanzten energiegeladen und ausgelassen. Auf der Bühne wurden der Sänger mit den hellen Kontatklinsen und sein Keyboarder Daniel Gosewisch zu so manchem Song perfekt von der bekannten Cyber-Tänzerin Ciwana unterstützt. Immer wieder bezog Björn die Zuschauer mit ein und kurbelte die aufgekratzte Stimmung zusätzlich an. Die jungen Publikumslieblinge spielten eine Dreiviertelstunde lang Songs wie „I Believe“, „Never Surrender“ oder „Dead Enough For Life“ (ein Icon Of Coil Cover). Außerdem performten sie mit Martin, dem Frontmann der danach folgenden SynthAttack, ihren gemeinsamen Song „Awake“. Mit „Why“ gab es auch ein ruhigeres Stück zu hören. Dann wurde zusammen mit dem Publikum noch der Titelsong der neuen EP „Dead Inside“ einstudiert – so schwer war das nicht, die Zuschauer konnten sofort mitsingen und taten es auch begeistert. Zum Schluss spielten die Jungs ihren wohl bekanntesten Song „The Other Side“, der in der Originalaufnahme von Gastsänger Henrik Iversen (NamNamBulu) gesungen wurde.

Im Anschluss ging es gegen 21 Uhr weiter mit SynthAttack, ebenfalls aus Hannover. Martin Schindler und Nicole Linde konnten das Publikum dort abholen, wo System Noire es hingeführt hatten, und so ging die Party fast ununterbrochen weiter. Die Harsh-Elektro-Band begann sofort mit dem Knaller „Harsh Is Back“, dem Titelstück des aktuellen Albums, das erst vor knapp einem Monat veröffentlicht wurde. Der düster geschminkte Sänger sang mit dauerhaft verzerrter Stimme einige ältere Stücke, aber hauptsächlich neue aus dem aktuellen Album. Die geniale Coverversion von Faithless‘ „Insomnia“ durfte natürlich auch nicht fehlen, obwohl es aus Lizenzgründen bisher auf keinem Album zu finden war. Keyboarderin Nicole rundete in einem knappen Lack-Outfit das Erscheinungsbild ab. Es gab unter anderem „Shut Up“, „Embrace Your Life“, „Life Is A Bitch“ und „Blood Dance 2.0“ zu hören, und auch hier ließ sich die Tänzerin Ciwana beim Song „Unleash The Beat“, einer Zusammenarbeit mit Suppressor, zur Unterstützung auf der Bühne blicken. Mit „One Love, One Pain“ endete der Auftritt nach einer Dreiviertelstunde.

Neuroticfish „Hallo Erfurt, wir sind die Unterschicht aus Leipzig!“ – so stellte Sven Hegewald sich und seine Band vor. Der große Sänger Sven mit den weißen Kontaktlinsen und die zierliche Keyboarderin Nataly in einem Oberteil, das mehr zeigte als es verhüllte, spielten ein souveränes, abwechslungsreiches Set Industrial. Sie hatten ihre eigene Show-Tänzerin Tini dabei, die immer mal wieder auf der Bühne erschien und die Band visuell ergänzte. So übergoss sie sich zum Beispiel zu „Du sollst bluten“ mit etwas Kunstblut, das während ihres Tanzes effektvoll an ihrem Körper hinablief. Der Song „Frau Holle“ ist eine Zusammenarbeit mit der Band Centhron, aber da diese nicht anwesend war, sprang Björn von System Noire als Gastsänger ein. Mit „Chernobog
“ gab es außerdem schon mal einen Vorgeschmack auf das 2018 erscheinende Album, ansonsten viele bekannte Songs wie „I Kill You“, „Wenn mich der Wahnsinn küsst“, „Sohn“ und das ruhigere „Dort wo du jetzt bist“. Leider zog sich das Publikum während des rund einstündigen Auftritts wieder etwas zurück; viele Besucher hatten sich wohl bei System Noire und SynthAttack zu sehr verausgabt oder wollten für später noch ihre Kräfte schonen.

Gegen halb zwölf wurde es endlich Zeit für die Headliner des Abends von Neuroticfish. Sänger Sascha Mario Klein, wie gewohnt im Holzfällerhemd, und Keyboarder Henning Verlage wurden zumindest von den älteren Fans sehnlichst erwartet. Die beiden Musiker hatten übrigens Krischan Wesenberg (u.a. Rotersand) im Schlepptau, der sich aber im Hintergrund hielt.
In der mehr als 20 Jahre umfassenden Bandgeschichte gibt es einige Futurepop-Hits und Ohrwürmer, auf die man sich nun freuen konnte. Gut gelaunt, aber leider erkältet (was seiner Stimme allerdings keinen Abbruch tat), legte Sascha gleich nach dem Intro mit „Silence“ los. Henning thronte mit dem Keyboard-Synthie-Aufbau in der Mitte etwas erhöht, wobei die Keyboard-Stützen zu beiden Seiten die bekannten Schriftzüge „NEUROTICFISH“ und „EBM IS DEAD“ trugen, was recht beeindruckend aussah. Mindestens für zwei (nicht mehr ganz junge) Mädels in der ersten Reihe war die Futurepop-Band das Highlight des Abends. Aber auch der Rest des Publikums bis in die letzten Reihen tanzte euphorisch mit. „Former Me“, „Bomb“, Wake Me Up“, „Suffocating Right“… ein Hit jagte den nächsten. Das war es aber noch lange nicht – der geniale, treibende Klassiker „Velocity“ und viele weitere Stücke folgten, natürlich auch von der letzten EP mit „Agony“ und „Civilized“. Mit „Need“ war das vorläufige Ende erreicht, und der Zeitpunkt für diesen Song war natürlich passend gewählt: „Ich habe keine Eile, von euch fortzugehen“. Sascha und Henning waren sichtlich beeindruckt ob der Begeisterung des Publikums und ließen sich nicht lange zu einer Zugabe bitten. Sie legten noch „Illusion of Home“ und das schräge „They’re Coming To Take Me Away“ oben drauf, aber dann war zumindest Sascha mit den Kräften am Ende und verabschiedete sich nach eineinhalb Stunden mit „Gleich, am Merch!“ erschöpft von der Bühne – man wird ja nicht jünger und die Erkältung tat ihr übriges.

Auf der Tanzfläche ging es derweil nahtlos in die Aftershow-Party mit DJ Don Levi (Aeon Of Shades) und vielen aktuellen Hits der Electro-Szene über.

Autor: Luscinia
© Fotos: Marcel Kahner

Setlists:
Alphamay
Intro
The Pilgrims Weep
The Scepter Allience
Flat Earth Flat Head
On the Other Side (Silke Bischoff Cover)
Love Must Die
Don‘t Go (Yazoo Cover)
Decay Of A Dream

Second Version
Stein
Bis ans Ende
Voice
Einheitsschritt (Isecs/Kontrast Cover)
Hellfire
Black Gold
Nova (VNV Nation Cover)
Sie rufen nach mir
P18
Just Leave Us Alone (Mesh Cover)
Bisswunden
I Just Can’t Get Enough (Depeche Mode Cover)

System Noire
Resurrection
I Believe
Awake (fest. Martin/SynthAttack)
Never Surrender
Mistress Of The Club (Blutengel Cover)
Who Am I?
Why?
Dead Enough For Life (Icon Of Coil Cover)
Dead Inside (neue EP)
On The Other Side

SynthAttack
The Purge
Harsh is Back
Shut Up
Insomnia
Embrace Your Life
Into The Night (vs Antibody)
My Hell
Blood Dance 2.0
Afterlife
Life is a Bitch
Unleash The Beat (vs Suppressor)
One Love, One Pain

Unterschicht
Chernobog
I Kill You
Mental Isolation
Du bist mein Monster
Sohn
Du Sollst Bluten
Frau Holle
Wenn mich der Wahnsinn küsst
Produkt
Diene Meinem Penis
Kniet Nieder
Spiegel
Dort wo Du jetzt bist

Neuroticfish
Intro „Rose“
Silence
Former Me
Bomb
Behaviour
Wake Me Up
Suffocating Right
Agony
Is It Dead?
Civilized
A Greater Good
M.F.A.P.L.
I Don’t Need The City
Somebody
Velocity
Can’t Stop A Riot
Need
Illusion Of Home
They’re Coming To Take Me Away

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